Amt der Oö. Landesregierung
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Atypische Essstörungen

Anorexia nervosa und Bulimia nervosa sind Beispiele innerhalb eines weiten Spektrums von Essstörungen. Der überwiegende Anteil der Patientinnen, die sich zur ambulanten Behandlung vorstellen, leidet an atypischen Essstörungen.

Der überwiegende Anteil der Frauen und Männer, die sich heute zur ambulanten Behandlung vorstellen, erfüllen nicht die vollen Kriterien einer klassischen Essstörung. Hierher gehören

  • unvollständige Ausprägungen der klassischen Essstörungen
    • Atypische Anorexie: z.B. Gewicht im Normbereich
    • Atypische Bulimie: z.B. geringere Häufigkeit oder Dauer
    • Atypische Binge Eating Störung: z.B. geringere Häufigkeit oder Dauer
  • neue Syndrome, die forschungsmäßig nicht ausreichend abgesichert sind
    • Night Eating Syndrom: 25% der täglichen Kalorienmenge wird nach dem Abendessen aufgenommen, nächtliches Erwachen mit Nahrungsaufnahme in mindestens drei Nächten pro Woche. Dieses Essverhalten scheint in engem Zusammenhang mit psychischem Stress aufzutreten und führt zu einer Verschiebung des Tagesrhythmus.
    • Purging Disorder (to purge = reinigen): es werden keine Essanfälle mit Kontrollverlust angegeben, kompensatorische Maßnahmen um das Gewicht zu regulieren werden nach normalen Mahlzeiten und Snacks angewendet, weil die aufgenommene Nahrungsmenge nicht akzeptiert werden kann. Die Störung kommt häufiger vor als Anorexie und Bulimie.
  • Übergänge von Essstörungen, wie sie im Langzeitverlauf vorkommen können

Orthorexie:


Bei der Orthorexie (orthos= richtig; orexis = Appetit) steht nun aber nicht die Quantität, sondern die Qualität des Essens im Vordergrund. Betroffene sind krankhaft fixiert auf gesundes Essen und versuchen ungesundes zu vermeiden. Und das kann intensiveAusmaße annehmen: Sie grübeln Stunden des Tages über Nährwerttabellen, prüfen den Vitamingehalt der von ihnen verzehrten Lebensmittel und versuchen immer "gesündere" Lebensmittel zu bekommen – auch wenn sie z.B. ihre Hirse in Afrika bestellen müssen.
Einige Mediziner sehen die in Fachkreisen als Orthorexia nervosa bezeichnete Essstörung nicht als eigenständiges Krankheitsbild, sondern als Zwangsstörung, die aber durchaus in eine manifeste Essstörung (wie z.B. Magersucht) münden kann. Andere halten die Fixierung auf gesundes Essen für ein Teilsymptom einer bereits bestehenden Essstörung. Wegen dieser Schwierigkeiten bei der Zuordnung ist die Orthorexia nervosa (derzeit) nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt.

Anorexia athletica:


Bei Betroffenen entsteht diese Sonderform einer Essstörung immer im Zusammenhang mit intensiver sportlicher Betätigung. Es besteht der Wunsch zur Reduktion des Körperfetts und v.a. bei Männern der Wunsch nach Muskelaufbau. Die qualitative Zusammensetzung der Nahrung ist ebenso mangelhaft (Eiweißprodukte zum Muskelaufbau, hormonwirksame Substanzen) wie die Nahrungsmenge. Eine Regulation durch Erbrechen oder Abführmittel kommt häufig vor. V.a. aber trainieren die Betroffenen über die empfohlenen Trainingspläne hinaus tlw. exzessiv. Bei Athletinnen kommt es zur typischen Trias mit Anorexie, Amenorrhoe und Osteoporose. Die Anorexia athletica betrifft oft LäuferInnen, RadfahrerInnen, TriathletInnen, EiskunstläuferInnen, SchispringerInnen, TurnerInnen, BalletttänzerInnen, u.a.

Vermeidend-restriktive Ernährungsstörung (ARFID):

 

Die vermeidend-restriktive Ernährungsstörung wird, ebenso wie die beiden folgenden Störungsbilder Pica und Ruminations- und Regurgitationsstörung, im überarbeiteten Diagnosesystem ICD-11 der WHO als eigenständiges Störungsbild aufgenommen. Kennzeichnend ist eine Einschränkung oder Vermeidung der Nahrungsaufnahme, verbunden mit einer erheblichen Gewichtsabnahme und einer signifikanten psychosozialen Beeinträchtigung. Im Gegensatz zur Magersucht bestehen bei ARFID keine Figur- und Gewichtssorgen. Dieses heterogene klinische Bild kann in jedem Altersbereich auftreten, bei Säuglingen, (Klein)Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Pica:

 

Unter dem Krankheitsbild Pica versteht man den Verzehr nicht nahrhafter Stoffe (z.B. Ton, Erde, Kreide, Gips, Plastik, Metall und Papier), oder roher Nahrungsmittelbestandteile (z.B. große Mengen Salz oder Maismehl), der anhaltend oder schwerwiegend genug ist, um klinische Behandlung zu erfordern. Die Diagnose wird erst ab ca. 2 Jahren gestellt, ein Entwicklungsalter, indem man erwarten würde, dass zwischen essbaren und nicht essbaren Stoffen unterschieden werden kann. Das Verhalten verursacht gesundheitliche Schäden, Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit oder erhebliches Risiko aufgrund der Häufigkeit, Menge oder Art der aufgenommenen Substanzen oder Gegenstände.

Ruminations- oder Regurgitationsstörung:

 

Unter diesem Störungsbild versteht man ein absichtliches und wiederholtes Zurückbringen zuvor geschluckter Nahrung in den Mund (Regurgitation), erneutes Kauen und Schlucken (Rumination) oder absichtliches ausspucken (jedoch nicht wie bei Erbrechen). Dieses Verhalten tritt häufig über den Zeitraum von mehreren Wochen auf. Wichtig ist ein Ausschluss von anderen Erkrankungen, die direkt zu Regurgitation führen und ein Entwicklungsalter von mindestens 2 Jahren.